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MITTEILUNG

Nachhaltig vergänglich. Zur Materialität des Verfalls

17. bis 19. November 2022 Salzburg

Tagung der Kunstuniversität Linz und der interuniversitären Einrichtung „Wissenschaft & Kunst“ zwischen Universität Salzburg und Universität Mozarteum Konzept: Yorick Berta, Jasmin Mersmann, Romana Sammern „Omnia transeunt“ – „Alles vergeht“. Angesichts von Mikroplastik in Ozeanen und Atommüll in Bergwerken wirkt die stereotype Vanitas-Formel wie ein utopisches Versprechen. Im ökologischen Diskurs erfährt Vergänglichkeit eine paradoxe Aufwertung, da eine neue, abbaubare Materialkultur als Aspekt einer allgemeinen Nachhaltigkeit das speziesübergreifende Überleben auf der Erde sichern soll – Nachhaltigkeit soll also gerade durch Vergänglichkeit erreicht werden. Die transdisziplinäre Tagung untersucht das ambivalente Verhältnis zu Vergänglichkeit in der Gegenwart: die Spannung zwischen dem Wunsch, Zeit und Verfall anzuhalten und der Aufwertung von Vergänglichkeit auf materialwissenschaftlicher, praxeologischer und ästhetischer Ebene. Vergänglichkeit lässt sich literarisch oder poetisch evozieren, allegorisch darstellen oder in Graphiken und Statistiken erfassen; materiell erfahrbar wird sie in biologischen Zersetzungsprozessen, in alternden Körpern und performativen Kunstwerken. Begegnen kann man ihr mit Melancholie, Sentimentalität oder Ängsten, aber auch mit Faszination und (Für)Sorge. Die kulturelle und historische Varianz in der Erfahrung und Deutung von Vergänglichkeit wird besonders in künstlerischen Auseinandersetzungen deutlich. Hatte die Kunst lange Zeit beständige Werke etwa aus Marmor und Bronze gegen hinfällige Körper gestellt, haben spätestens seit den 1960er Jahren ephemere Materialien und der Entropiegedanke Einzug in die künstlerische Praxis gehalten. Darüber hinaus erlebt Vergänglichkeit auch als subject matter eine Renaissance: Die lange und komplexe Rezeptionsgeschichte von Vanitas-Motiven wirkt bis in die zeitgenössische, globalisierte Kunstwelt hinein (vgl. Benthien/von Flemming (Hg.) 2018). In der Forschung zum Anthropozän wird der menschliche Drang nach Selbstbehauptung und Selbstverewigung auf seine materiellen Folgen hin untersucht. Vor diesem Hintergrund ist der Begriff der Vergänglichkeit gleich mehrfach brisant: In den Diskursen um Klimawandel, Artensterben und Pandemien lässt sich ein neues Bewusstsein für Endlichkeit und Vergänglichkeit auf individueller und planetarischer Ebene feststellen. Somit aktualisiert das Anthropozän alte Klagen über die Vergänglichkeit von Mensch und Welt, schreibt aber mit der Proklamation eines geologisch überprüfbaren Menschenzeitalters auch anthropozentrische Verewigungsfantasien fort. Übergreifend fragt die Tagung danach, wie sich Erfahrungen von Vergänglichkeit historisch ausformen und welche Verbindungen zwischen menschlichen und nichtmenschlichen Verfallsprozessen bestehen. Diese Fragestellungen und ein gemeinsamer Fokus auf die Materialität von Vergänglichkeit verbindet die unterschiedlichen disziplinären Zugänge: Wie werden vergängliche Materialien zu Werkstoffen? Was lösen materiell verfallende Kunstwerke in uns aus? Wie altern menschliche, nichtmenschliche und mehr-als-menschliche Körper? Welche Rolle spielt Vergänglichkeit in der Digitalisierung? Und „was passiert, wenn die Menschen von der Erde verschwinden?“ (Weisman 2007)